The B’Shops

An dieser Stelle ist eine Geschichte zu erzählen, wie sie einerseits typisch ist für die Musikindustrie und jedes Jahr rund um die Welt ein paar tausend mal passiert, die andererseits aber auch wieder ganz untypische und tragische Momente in sich birgt. Typisch an der Geschichte ist nur das: eine junge Band macht sich auf, mit ihrer Musik die Welt zu erobern, findet ein Independent Label – in diesem Falle DAY-GLO Records -, kommt ein gutes Stück voran, erntet brilliante Kritiken, weckt dadurch das Interesse von Major Companies, bekommt dann doch keinen Deal und gibt schließlich auf. 

Untypisch an der Geschichte ist, daß die Band – obwohl sie in den drei Jahren ihres Lebens nur ein paar tausend Alben verkauft hat – dennoch eine Wirkung in der deutschen Poplandschaft hinterlassen hat, von der andere, wesentlich erfolgreichere Bands nur träumen können.

Tobias Kuhn, Sänger der allseits hochgelobten Band MILES. „B’Shops ist wohl die entscheidende Inititialband in unserer Bandgeschichte. Es gab keine Band zu dieser Zeit, die eine solche Musik mit solcher Konsequenz gemacht haben wie die. Wir waren fasziniert, als sie in Würzburg ein Benefiz-Konzert für DT64 im Bechtelsheimer Hof – dort, wo wir 1992 als junge Band probten – gaben. Die waren laut, schön und schwer bekifft.“

Tobias Kuhn bringt die Wirkung der B’Shops auf die Entwicklung von Miles mit dem Wort „Intitialzündung“ auf den Punkt. Tom, Autor eines Artikel über Miles in „Persona Non Grata“, ergänzt: „Bewußt wird den B’Shoppern, deren drittes (Tobias nennt es ihr bestes Album) nie erschien, nicht sein, WAS sie mit ihrer Anwesenheit in den frühen 90ern ausgelöst haben. Neben jungen Gymnasiasten- Combos, die fortan ihr Heil in der treibenden, poppigen Flucht nach vorn suchten, würde ich selbst nie abstreiten können, daß mit deren Existenz mein Glauben an die unendlich ästhetisch zusammen geschusterten Riffs diesseits des Urals aufkeimte. An ihrem Beispiel entwickelte sich das Bewußtsein, daß auch in dem noch so verschissensten Kaff eine handvoll Leute existiert, die genau unsere Sprache spricht.“

Heute, acht bzw neun Jahre später, hört man aus den beiden B’Shops-Alben immer noch das heraus, was Roland Galenza damals „traumatischen Pop“ genannt – „irgendwo zwischen blendendem Geflacker und wohlig-groteskem Taumel“.  „Grass“, das Debut-Album von 1990, hat nichts an seiner Dringlichkeit verloren. Es klingt heute vielleicht noch größer, noch bedeutender als damals, weil heute niemand mehr in der Lage ist, mit einer solchen Radikalität düstere Stimmungen von Einsamkeit und Verlassenheit mit wild-romantischen Melodien zu verbinden. Aus den Abgründen der Seele schufen die B’Shops eine Universum von purer Schönheit, aufregend und kompromißlos, getrieben von der oft brüchig dahinflatternden Stimme von Markus „Mao“ Kohler, auf die absoluten Höhen von Pop gehoben durch Moni Kober’s Backing Vocals, und in die Tiefen der Melancholie versenkt durch das Cello, das Moni Kober in den Klang der Platte einführt, als hätte das Cello schon immer zum Rock’n’Roll gehört.

„Churches Chips and Emrys“, das zweite Album der B’Shops aus dem Jahre 1991, geht noch einen Schritt weiter. Immer blitzen da die Momente purem Pop-Glanzes auf in Songs wie „Follow the Sun“ oder „Rubi Peru“. Aber die Extreme sind diesmal weiter gesteckt, die Augenblicke reiner Melancholie stärker ausgeprägt. Die jugendliche Überschwang des ersten Albums beginnt zu zerbröseln und sich in Momenten von extremen Verlorenheit aufzulösen, die hier und da an die besten Zeiten von Lou Reed erinnern. „Churches“ ist ein großes, sperriges Album geblieben, das der Beginn eines neuen Anlaufs hätte werden können, der Beginn einer Neudefinition von Schönheit und Tiefe in der Popmusik. Nundenn, es hat nicht sollen sein. „Churches Chips and Emrys“ ist ein Versuch geblieben, der letzte der B’Shops. Right place wrong time. 

„Die Band, deren Vinylversion von ‚Grass‘ (1990) in meiner Sammlung neben meiner Lieblings-Beatles (‚Rarities‘) steht, behauptet wohl auch die tragischste Rolle, die je eine Band spielen kann: das Dilemma des falschen Zeitpunktes und der fehlenden Infrastruktur, gepaart mit dem Bewußtsein, daß sie irgendwie die Initialzündung für diese Infrastruktur und die passenden Zeitpunkte schuf. Bevor sie das noch erlebte, gab es sie nicht mehr.“ (Tom in Visions)

Und dann war da noch: der großes Interesse zeigende, schließlich aber doch abwinkende A&R-Manager einer Major Company, die ihren Sitz damals in einer alten Kölner Villa hatte und später nach Hamburg zurückbeordert wurde. Und dann war da auch noch: der ehemalige Manager von Terence Trent d’Arby, der den B’Shops eine große internationale Karriere prophezeite und, nachdem er von aus London nach München umgezogen war, nichts mehr von sich hören ließ, als er erfuhr, daß die vollständigen Verlagsrechte für B’Shops-Songs nicht zu bekommen waren.